Mittwoch, 9. Juni 2010

Die Esmeralda von Notre Dame am 19.März 2010

Georg Friedrich Händel lud höchst persönlich ein – Zumindest was von ihm erhalten blieb.
Die Pariser Kathedrale als Mittepunkt einer abenteuerlich-spannenden Fabel, die direkt das Volk thematisiert in all ihren Facetten. Wo die Liebe hinfällt. Nicht nur Claude Frollo, der Domprobst der Kathedrale von Notre Dame, sondern auch Hauptmann Phoebus, Blender und Frauenheld, und Quasimodo verlieben sich in die schöne Zigeunerin Esmeralda.
Drei Männer und eine Frau, das kann von vornherein nicht glücklich enden. Frauen waren schon viel früher Grund um Kriege zu beginnen – Troja lässt grüßen.

Mit Minimalismus in die Herzen gesungen.
Der verwöhnte Musical Besucher musste sich anfänglich auf ein eher mageres Bühnenbild einstellen. Im Verlauf des Abends wurde die erschaffene Welt bis zum Äußersten ausgereizt, Leinwandtechnik ist das Zauberwort. Der Gedanke der Transportmöglichkeit muss im Raum schweben bleiben, wie der Besucher zwischen der realen und erschaffenen Welt leider stecken blieb. Die Abgrenzung zwischen Bühnenumgebung und Bühnenbild stellte das größte Problem dar. Man hätte den Rest mit schwarzen Laken abdecken müssen, um die Konzentration direkt auf das Geschehen zu lenken.
Ein großes Manko der Vorstellung stellte das nicht vorhandene Orchester dar, ein Musical lebt von Gesang und vielfältiger Instrumentation, die jedes Mal aufs Neue "Klang" erzeugen. Geld regiert die Welt – unter diesen Menschen stehen eben keine Steuerzahler, deren Sätze erhöht werden können. Es scheinen die Kritikpunkte regelrecht zu hageln, denn die eingespielten Stücke können in Art und Instrumentierung nur zu 80% mein Ohr überzeugen. Besonders die um Frollo gewebten Themen begeistern so gar nicht – Der Synthesizer fand mehr als nur starken Anklang. Dem entgegen stehen die schönen mittelalterlichen Klänge. Sieht man von den Schönheitsfehlern ab, wird ein Schauspiel zwischen Zigeunerfreude und traurigen Balladen geboten.

Der Star des Abends war ohne Auswege die Esmeralda Darstellerin, Stephanie Marin. Ihre Bühnenpräsenz und Stimme konnte in allen Bereichen begeistern. Nicht nur die Solos scheinen ihr wie Honig über die Stimmbänder zu gleiten, auch im Zusammenspiel mit den anderen Charakteren stach sie mit ihrer Stimmgewalt heraus. Hoffentlich wird sie den Sprung in die großen Produktionen schaffen, um ihr Können dort unter Beweis zu stellen.

Dicht gefolgt im Gerangel um die Gunst der Zuschauer, leuchtet der Stern von Quasimodo auf, der mit seiner außergewöhnlichen Stimme zu überzeugen weiß. Leider fallen seine Anteile als Titelrolle etwas kläglich aus, obwohl sein Solo „Frei sein wie der Wind“ zu ergreifen weiß. Die Ängste vor seinen Mitmenschen werden überzeugend dargestellt, als würde Nikolaus Stich es am eigenen Leib erfahren. „Das Leben spür’n, Tanzen, Lachen, einfach Mensch sein“ ein auswegsloser Ohrwurm.

Das Böse hat einen Namen, Frollo. Mit Kraftvoller Stimme und erhabener Ausdrucksweise strotzt Stefan Vitzenburg voller Energie. Seiner Stellung als besessener Domprobst der Kathedrale wird er gerecht, leider wankt er auf einem schmalen Grad zwischen Gesang und Schreien. Sieht man von dieser Kleinigkeit ab, stellt man sich das Böse in der Art vor.

Marc Lamberty, der den Hauptmann Phoebus verkörperte, erwischte einen schwarzen Tag. Nicht nur dass seine Stimme angegriffen schien, auch blieben ihm oftmals die Töne im Halse stecken. Zu begeistern weiß er dagegen auf der CD zum Musical. Aber kein Mensch ist unfehlbar. Dem Ensemble gehören noch weitere Sänger an, beispielsweise die Mutter, Diana Lübbert, die ihr Wehklagen unentwegt zum Ausdruck bringt. Mit „Treu“ wurde ein eher befremdlich klingendes Lied kreiert, das dennoch punktgenau die Leiden ins Herz trägt. Komödiantische Einlagen heiterten die Stimmung des melancholisch durchzogenen Musicals auf. Paradebeispiele für Witz sind ChristianBöhm, als Gringoire, Christopher Buchmann, Ensemble und dem Darsteller von Clopin. Wenn eine Ziege wichtiger als eine Frau wird, entlockt dies dem Besucher schallerndes Lachen.

Viele Kritikpunkte verderben nicht immer den Abend. Das stellt der Glöckner von Notre Dame unter Beweis. Wie Männer gut und gerne Ecken und Kanten haben dürfen, ist dies einem Musical auf Tour ebenso verzeihbar.

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